Montag, 6. September 2021

Laschet - ist letztlich sein Versagen der Vorteil der CDU/CSU ?


Zunächst schien es deutlich zu sein: Die SPD mit Frontmann Schulz abgeschlagen. Die CDU vorne, dann die Grünen mit Baerbock und hinten, noch gerade so im Blickwinkel und weiter verschwindend die SPD. Und dann kam ein Umbruch:

Baerbock hatte Leichen im Keller, und die Medien griffen diese auf: Ihre Lebensläufe. Und schon hieß es in gnädiger Abwandlung der Parship-Werbung: Alle 11 Minuten ändere ich meinen Lebenslauf - ich baerbocke. Der Abgang von Bearbock als mögliche ernsthafte Kanzleranwärterin wurde flankiert mit einem allmählichen Aufholen von SPD und Schulz. Keiner erinnert sich mehr bzw. erinnert an die Zeit von Schulz in der EU und dem Umgang mit Steuergeldern. Hier darf aber daran erinnert werden und auf den Stern verwiesen werden, der unter dem 20.04.2017 titelte „Umgang mit EU-Geldern – Martin Schulz und das versprochene Versprechen“ und u.a. ausführte : „Doch jetzt gibt es einen Fall, in dem Schulz nicht einlöst, was er versprochen hat. Es geht um die Arbeit eines langjährigen Mitarbeiters des damaligen EU-Parlamentspräsidenten – und um mögliche Unregelmäßigkeiten mit EU-Geldern. Vor zwei Jahren hatte Schulz versprochen, diese Vorwürfe untersuchen zu lassen und die Ergebnisse dann zu veröffentlichen. Inzwischen sind die Untersuchungen abgeschlossen. Sie bleiben dennoch unter Verschluss. Schulz lässt auf Anfrage des stern verbreiten, er sei da machtlos. Ihm lägen die Berichte nicht vor. Und er sei ja "nicht mehr Präsident" des EU-Parlaments.“ (https://www.stern.de/politik/deutschland/martin-schulz--erneuter-verdacht-ueber-unregelmaessigkeiten-im-umgang-mit-eu-geldern-7416550.html).

Während Baerbock mithin baerbockte bestach Armin Laschet durch seine brilliante Art des Lachens - zum falschen Zeitpunkt. Es konnte nicht gut ankommen, wenn angesichts des ohnehin mehr als lauen Wahlkampfes anlässlich der Flutkatastrophen der Spitzenkandidat der CDU sich von der humoristischen Seite zeigte und seither auch wohl stets auf der Suche nach einem weiteren Stolperstein ist. Da die Wähler wohl nicht weiter barebocken wollten, mithin die sich selbst bereits als Merkel-Nachfolgerin sehende Spitzenkandidatin der Grünen in der Wählergunst stetig verlor, sich die lange Zeit stärkste Partei anfing sich selbst angesichts der Fehltritte ihres Spitzenmanns selbst zu zerfleischen und bereits die Messer für die interne Auseinandersetzung nach der (wohl für verloren angesehene) Wahl wetzte, konnte der  Fuchs bei der SPD langsam aber stetig durch Nichtstun und zusehen seine und seiner Partei Position positiv beflügeln. Ihm kommt zugute, dass niemand - warum auch immer - an seine nicht ruhmreiche Vergangenheit in der EU und die dort hinterlassenen Fragen erinnert. Vergessen und vorbei (oder: der Wille der Medien, ihn zu küren ?).

Sei es drum. Die Konstellation ist eindeutig. Die SPD hat die besten Chancen, den künftigen Kanzler zu stellen. Die SPD mit Schulz liegt mit 25% in Führung, (noch) gefolgt von der CDU/CSU mit 22%; die Grünen mit Baerbock abgeschlagen für die Führungskraft einer Regierung auf 17% (ZDF-Politbarometer, https://www.zdf.de/politik/politbarometer). Die SPD hat damit verschiedene Möglichkeiten einer Koalitionsbildung, so u.a. rot-rot-grün (mit 46%, was bereits die absolute Mandatsmehrheit bedeuten könnte). Ob die FDP (11%), bei der Ungewissheit besteht, ob sie nicht ein Bündnis SPD/Grüne, evtl. auch rot-rot-grün stützen würde, könnte hier Steigbügelhalter für Schulz sein.

Dieses Szenario könnte aber das Wahlverhalten noch beeinflussen – trotz Laschet. AfD-Wähler (11%) könnten sich Gegenwehr doch CDU/CSU wählen und auch FDP-Wähler könnten zur Verhindern einer Linksregierung CDU/CSU wählen. Dann aber wäre die CDU/CSU die stärkste Partei – es stellt sich nur die Frage, welchen Koalitionspartner sie finden kann. Denn eines scheint klar: Keine Partei wird alleine über eine Mandatsmehrheit verfügen. Die Gefahr einer Linksregierung mit erheblichen Erhöhungen der Mineralölsteuer, Tempolimit auf Autobahnen, Steuererhöhungen nicht nur für wenige „Großverdiener“, verschärfte Umweltschutzauflagen mit erhöhten Kosten für alle Bevölkerungsteile, Mietendeckel (mit dem Blick auf Zustände von heruntergekommenen Mietshäusern in der ehemaligen DDR mangels Investitionsbereitschaft) und einer evtl. gar damit einhergehenden Sozialisierung könnten abschreckend wirken, zumal auch Kleinsparer zwischenzeitlich merken, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik ihre geringen Vermögen dank einer stetig anwachsenden Inflation (bedingt insbesondere durch Steuern und öffentliche Abgaben) und der Null-Zins-Politik der EZB (bei der erfolgreich eine deutsche EZB-Präsidentschaft, die zuletzt angestanden hätte, und damit eine für die ehemalige Währungsbank Deutschlands, der Deutschen Bundesbank, bekannte Politik verhindert wurde) an ihnen nicht spurlos vorbeigehen.

Der Ausgang der Wahlen ist mithin trotz Stimmungshoch für die SPD und Stimmungstief für die CDU/CSU – und wohl auch gerade deshalb – offen.


Montag, 28. Juni 2021

Pest der demokratischen Ordnung und des Rechtsstaats - Corona


 

Corona (oder genauer: COVID 19 mit seinen diversen Varianten und Mutationen)  – gerne genutzt um Repressalien auszuüben, um seine Fürsorge um und für Andere zu zeigen, um zu schimpfen…

Es begann ans sich vor 2020, wurde aber erst richtig von der Öffentlichkeit in 2020 wahrgenommen. Es folgten ein Lockdown nach dem anderen und - natürlich  - Beschwerden über die angeordneten Maßnahmen sowie notwendig auch die juristische Aufbereitung. Nun, nach dem 3. Lockdown ein Aufatmen und es wird wieder (fast) so gelebt wie vor den Lockdowns: Körper an Körper in Restaurants und im Freien, dichtgedrängt wie in der „guten alten Zeit“. Und die Warnungen von Virologen im Hinblick auf die zunehmende Erkrankung mit der sogenannten Delta-Variante wird überhört, sie passt nicht ins Bild der endlich wieder erlebten Freiheit. Und die Politik bereitete hierzu wieder die Grundlagen, wie sie diese bereitet hatte, als es das öffentliche Leben und auch das private Leben der Bürger (zumindest formal) rigoros einschränkte.

Aber wenn wir uns die Zeit seit dem offiziellen Beginn der Corona-Pandemie Revue passieren lassen und uns die Umstände der heutigen gelebten Freiheit ansehen, kommt Bitterkeit auf, Bitterkeit über das Versagen von Politik und Rechtsstaat. Wir erlebten und erleben millionenschwere Fehlentscheidungen von Ministern (die allerdings auch ohne Corona keine Seltenheit sind), milliardenschwere Kosten (deren finanzielle Abarbeitung noch erhebliche Auswirkungen haben wird), aber auch ein umfassendes Versagen der Staatsorgane.

Betrachten wir uns die Lockdowns. Ein völliges Zurückfahren der wirtschaftlichen Betätigung verbunden mit erheblichen Engpässen in der Versorgung (man denke nur an den Kampf um Toilettenpapier, wobei angemerkt werden darf, dass daraus bis heute keine Lehren gezogen wurden, um die Abhängigkeit von Drittländern, so ganz vorne China, abzubauen), eine Lockerung mit der Folge eines kurze Zeit später durch steigende Inzidenzzahlen  erneuten Lockdowns, Aufweichung und wieder (radikale) Auflockerung zur jetzigen „Freiheit“. Und schon heute besteht Gewissheit, dass diese radikale Auflockerung nicht halten wird (halten kann), da insbesondere durch die Deltavariante des Virus schon jetzt ein erneutes Herunterfahren (Lockdown) als sicher eingestuft wird. Die jetzige Auflockerung wird daher teilweise damit begründet, ein längerer Lockdown mit Beschränkung der Rechte der Bürger (so zum Treffen mit Freunden pp., für Versammlungen, Theater pp.) sei nicht mehr vermittelbar. Das aber sind vordergründige Argumente. Durch die jetzige Auflockerung wird die Gefahr der Verbreitung wesentlich erhöht, auch die Schnelligkeit derselben. Bedenkt man, dass selbst Geimpfte (mit zwei Impfungen) von der Deltavariante nicht verschont werden, bedenkt man weiter, dass bisher auch nur ein Drittel der Bevölkerung geimpft ist, ferner, dass es die Politik und Verwaltung wegen eklatanter Fehlentscheidung, die auf EU-Ebene von der ohnehin nicht als befähigt anzusehenden (und deshalb auch in Deutschland als Ministerin ausgeschiedenen und „hochgelobten“) Kommissionspräsidentin der EU, Ursula von der Leyen,  eingeräumt wurde.

Warum also die radikale Öffnung ? Die Behauptung der Zumutbarkeit für die Bevölkerung ist nur ein Deckmantel. Richtig dürfte sein, dass die Bundestagswahlen anstehen. Keine Partei, und damit insbesondere auch nicht die Regierungsparteien in Bund und Ländern, wollen wegen fortgesetzter Einschränkungen zur Vermeidung einer Ausbreitung des Virus Stimmen verlieren. Es geht nicht um das Wohl der Bevölkerung, es geht um Wählerstimmen. Dafür wird billigend in Kauf genommen, dass sich der Virus wieder (und zwar in seiner derzeit gefährlichsten Variante in Form Delta) vermehrt verbreitet, mit der Folge, dass – nach den Wahlen – das öffentliche und private Leben wieder drastisch eingeschränkt werden muss und bis dahin eine akute Gefahr für die Bevölkerung zunimmt.

Die Bausteine für die Einschränkung des öffentlichen und privaten Lebens schöpfte die Politik aus dem Infektionsschutzgesetz. Und sie wurde dabei von der Rechtsprechung – einschließlich dem Bundesverfassungsgericht als Hüterin der rechtsstaatlichen Ordnung und über die Grundrechte – gestützt. Bestürzend ist dabei eine Entscheidung des VG Bremen vom 26.03.2020 – 5 V 553/20 – (https://recht-kurz-gefasst.blogspot.com/2020/03/corona-schlieung-von-laden-geschaften.html). Dieses anerkannte, dass die Schließung der Ladengeschäfte keine Rechtsgrundlage in dem Infektionsschutzgesetzt (in der damals geltenden Fassung) fände und auch gegen Art. 12 GG (einem Grundrecht) verstoße. Der Kernsatz lautet: „Liegen neue und in dieser Form vom Gesetzgeber nicht bedachte Bedrohungslagen vor, ist daher jedenfalls für eine Übergangszeit der Rückgriff auf die Generalklausel auch dann hinzunehmen, wenn es zu wesentlichen Grundrechtseingriffen kommt.“ Dabei hat es geflissentlich unberücksichtigt gelassen, dass einen nur vorrübergehenden, nicht gesetzlich legitimierten Eingriff in ein Grundrecht weder das Grundgesetz noch das Gesetz kennt. Unabhängig davon stellt sich auch die Frage, welcher Zeitraum mit „vorübergehend“ gemeint sein soll. Immerhin hat es doch die Legislative sogar in der Coronakrise fertig gebracht, Gesetze innerhalb von zwei Tagen durch Bundestag und Bundesrat beschließen zu lassen. Wäre es also nicht ohne weiteres möglich gewesen, hier in § 28 IfSG eine entsprechende zusätzliche Regelung aufzunehmen, die den Eingriff in die Berufsausübung qua Schließung von Gewerbebetrieben betrifft ?  Sicherlich wäre dies möglich gewesen. Zudem verkannte das VG, dass Art. 19 Abs. 1 GG bestimmt, dass die Grundrechtsnorm benannt werden muss, in die durch das Gesetz eingegriffen werden soll.   In § 28 Abs. 1 S. 3 IfSG werden aber als Eingriffe in Grundrechte nur die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) benannt.  Die Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die hier gegenständlich ist, wurde nicht benannt. Damit lässt sich keinesfalls aus § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG, wie das VG meinte, ableiten, dass alle Maßnahmen der Gefahrenabwehr möglich seien, jedenfalls durch einen gesetzgeberischen Willen getragen seien und/oder auf Zeit möglich seien. Da zwingend bei einem Eingriff in ein Grundrecht in dem Gesetz, in dem in das Grundrecht eingegriffen wird, darauf zu verweisen ist, lässt sich mithin die Allgemeinverfügung aus den Erwägungen des VG heraus nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht halten. Und das Bundesverfassungsgericht ? Es hatte nur in Eilverfahren zu entscheiden (Hauptsacheverfahren dauern bei diesem ohnehin regelmäßig mehrere Jahre), und hat in Ansehung der vorliegenden Verfahren und er Güterabwägung wegen einer angeblichen Offenheit der Entscheidung die Eilanträge von Betroffenen abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht selbst hatte also hier auch die zwingende Norm des Grundgesetzes, Art. 19 Abs. 1 GG, missachtet.

Die Rechtsprechung hat mithin versagt, bis hin zu dem Gericht, welches Hüterin der Verfassung sein sollte.

Die Politik hätte es in der Hand gehabt, durch eine schnelle Änderung des Infektionsschutzgesetzes eine rechtsstaatliche Basis für ihre Maßnahmen zu schaffen. Gleichwohl hat sie verfassungswidrig, gestützt von den Gerichten, ihre Maßnahmen durchgesetzt. Sie nutzte das Infektionsschutzgesetzt unzulässig als Ermächtigungsgesetz, und hat zudem auch das Parlament ausgeschaltet, indem nur per Absprache zwischen Bundesregierung und Landesregierungen die Maßnahmen durchgesetzt wurden. Die Väter des Grundgesetzes wollten eine Ausschaltung demokratischer Regeln, wie sie nach der Machtübernahme Hitlers in Deutschland stattfand, für die Zukunft ausschließen. Die Vorgänge im Frühjahr 2020 haben gezeigt, dass ihnen dies faktisch nicht gelungen ist, da Politik und Gerichte, einschließlich den Verfassungsrichten der Länder und des Bundes, die rechtsstaatliche Grundordnung aufgehoben haben.

Eine Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in dem heutigen § 32 nennt weiterhin nicht die Einschränkung des Grundrechts aus Art 12 GG (freie Berufsausübung). Es mag, worauf das VG Bremen abstellte, in der Sache gerechtfertigt gewesen sein, das öffentliche und private Leben in Ansehung der pestartig sich verbreitenden Pandemie einzudämmen. Die Art und Weise war allerdings nicht zu rechtfertigen, zumal eine vorherige Änderung der Rechtsgrundlage möglich gewesen wäre. Dass nunmehr das Infektionsschutzgesetz teilweise als Ermächtigungsgesetz in Anspielung auf die Ermächtigungsgesetze seit 1914 (die keine Grundlage in der jeweiligen Verfassung hatten) und deren Höhepunkt mit dem Gesetz der Behebung der Not von Volk und Reich (am 23.03.1933 vom Deutschen Reichstag beschlossen) erreicht wurde, verabschiedet mit der Stimmen der damaligen Regierungskoalition, der die NSDAP angehörte.

Freitag, 31. Januar 2020

Demokratie und politische Wirklichkeit – ein gelebter Widerspruch


Robert F. Kennedy (unter John F. Kennedy Justizminister) hatte Recht als er formulierte, Demokratie sei die schwierigste Gesellschaftsform. Aber warum ?

An sich ist doch Demokratie „nur“ die Verlagerung der Willensbestimmung von einer Person oder einer kleinen Personengruppe auf diejenigen, die den Staat ausmachen: die Bevölkerung. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und bringt damit gerade diesen Grundsatz zum Tragen.  Doch schon Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verdeutlicht die Schwierigkeit, die sich an die Verwirklichung knüpfen kann, da danach diese vom Volk auszuübende Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Das Grundgesetz proklamiert damit eine repräsentative  Demokratie, deren Grundstütze letztlich die Wahl von Personen (vermittelt durch Parteien) in die Parlamente ist, in denen die gewählten den „Volkswillen“ umsetzen sollen.  Anders sieht es nur bei der direkten Demokratie aus, in der das Volk unmittelbar und unvertretbar durch Abstimmungen über Sachfragen  am Staatsgeschehen teilnimmt. Ansätze der direkten Demokratie finden sich in der Schweiz, in der die Bevölkerung zu bestimmten Sachfragen gefragt werden muss. Soweit in Deutschland teilweise (nicht auf Bundesebene sondern nur auf Länderebene)  Volksbefragungen / Bürgerbegehren möglich sind, sind diese an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, weshalb insoweit nur bedingt von einer direkten Demokratie gesprochen werden könnte.


Bezogen auf Deutschland ist mithin festzuhalten, dass der Deutsche Bundestag die Institution ist, über die das Volk mittels Wahl Einfluss nehmen kann. Auch wenn der Wähler zwei Stimmen hat, bei denen er mit der einen Stimme eine Partei, mit der anderen Stimme eine bestimmte Person (in seinem Wahlkreis) wählen kann, liegt der Schwerpunkt auf den Parteien, aus denen auch in der Regel die Kandidaten stammen, denen mit der zweiten Stimme eine Zustimmung erteilt werden kann.

Entscheidend ist, dass damit in der repräsentativen Demokratie das Volk selbst nicht über die Geschicke des Staates bestimmen kann, obwohl er doch der Souverän sein soll. Es kann nur bedingt den Versuch der Einflussnahme ausüben. Er kann zwar, wenn sich diese Partei entgegen ihren „Wahlversprechen“ verhält, diese bei der nächsten Wahl abstrafen (so geschehen mit der FDP, die ihr Wahlversprechen einer Steuerreform nicht einhielt, in 2013 nicht wieder in den Bundestag einziehen konnte).

Aber kann der Souverän überhaupt entscheiden ?

Um (mit) entscheiden zu können, ist Wissen um tatsächliche Gegebenheiten unabdingbare Voraussetzung. Natürlich kann sich der Souverän über die Medien informieren. Doch fraglich ist, ob selbst bei einer umfassenden Auswertung der zur Verfügung stehenden Medien das erforderliche Wissen für eine Entscheidungsfindung vorliegt. So darf und muss darauf hingewiesen werden, dass sich der Bevölkerung  weitestgehend die Datengrundlagen fehlen. Das fängt schon an bei der Frage des effektiven Standes der Arbeitslosigkeit. Die offiziellen Bekanntmachungen dazu nennen regelmäßig nur Zahlen, die in die Arbeitslosenstatistiken einfließen sollen, so u.a. nicht die Arbeitslosigkeit von Bürgern über 60 Jahren. D.h., dieses Wissen um die bekanntgemachte Arbeitslosenstatistik ist unvollständig. Auch die Kriminalstatistik hat Lücken, wie sich 2016 offenbarte: Obwohl infolge der Zuwanderungen zeigte: 293.000 Delikte von 174.000 Zuwanderern erhöhte die Gesamtzahl aller Delikte kaum – was wohl nicht möglich sein dürfte (Spiegel online).

Entscheidend ist aber auch, dass Berichterstattungen häufig wertend sind, nicht objektiv / neutral. Das gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender (klassisches Beispiel ist die Benennung der AfD als „rechtspopulistische AfD“, obwohl Rechtspopulismus eine Bewertung darstellt. Bewertungen gehören in einen Kommentar nicht in eine Nachricht. Mit diesen unterschwelligen Bewertungen wird eine Meinungsmache betrieben, die einer freien und unvoreingenommenen Willensbildung entgegensteht.

Auch wenn von einem mündigen Bürger vielleicht erwartet werden kann, dass er diese Verquickung von Meinungsmache und Nachricht erkennt und bewerten kann, ist ihm damit nicht geholfen. Denn nicht nur sind statistische Angaben durch Vorgaben, was und was nicht in die Statistik aufgenommen wird, ohne dass dies bei der Publizierung deutlich zu erkennen gegeben wird, kaum hilfreich für eine eigene Meinungsbildung und damit Entscheidungsfindung. Gravierender sind Geheimhaltungen, d.h. eine fehlende Offenheit (Transparenz) sowohl in Bezug auf finanzielle Maßnahmen und Risiken, Absprachen (auch mit anderen Staaten) usw. Werden aber wichtige Indikatoren für den politischen Willensbildungsprozess nicht weitergegeben sondern verschlossen gehalten, gar dann noch im Rahmen von Untersuchungsausschüssen Daten nicht offenbart bzw. vernichtet, so kann der Souverän nicht mehr in der Sache sachlich entscheiden. Die Argumentation der Geheimhaltung „im Staatsinteresse“ stellt sich nur als Ausflucht der Regierenden dar, da damit ersichtlich Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG verletzt wird. Wenn die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, unabhängig davon, ob im Rahmen einer direkten Demokratie oder, wie in Deutschland, einer repräsentativen Demokratie, muss er zwingend in die Lage versetzt werden, durch Kenntnis seine Entscheidung zu treffen.

Solange es an der Transparenz politischen Handelns durch die Organe (wie Deutscher Bundestag und der von ihr mit ihrer Mehrheit gewählten Bundesregierung) für die politische Willensbildung ermangelt, lässt sich Demokratie nicht leben. Es ist nur ein Abglanz derselben.

Wenn dann noch Träger politischer Ämter ihre Positionen zu einer Verschwendung öffentlicher Mittel nutzen oder fragwürdige finanzielle Geschäfte tätigen, die schon eine strafbare Handlung nahelegen könnten (ruhmlose Beispiele der jüngsten Vergangenheit sind Annegret Kamp-Karrenbauer von der CDU, OB Feldmann von der SPD und Scheuer von der CSU), diese auch nicht bereit sind, an einer umfassenden Aufklärung mitzuwirken, die hinter ihnen stehenden Parteien sie jeweils auch noch versuchen zu decken, verkommt diese Art der Demokratie zu einer Art Selbstbedienungsladen für diejenigen, die von dem vermeintlichen Volkssouverän gewählt wurden.

Die politische Wirklichkeit hat mit einer nach 1945 angedachten Demokratie nicht viel gemein. Es fehlen die notwendigen Instrumente, dass der Volkssouverän sein recht und seine Aufgabe auch tatsächlich wahrnehmen kann.

Dienstag, 8. Oktober 2019

Schwarze Null - die Lügen der Abgeordneten zu ihren Sorgen um die nächsten Generationen

Die Abgeordneten bieten ein erbärmliches Schauspiel, eine Schmierenkomödie. In Zeiten sprudelnder Steuereingänge sorgten sie sich angeblich um die Schulden, die von Enkeln und Urenkeln zu tragen sind - und schufen haushaltstechnisch die Schwarze Null. Dann aber gaben sie schamlos die Milliarden von Mehreinnahmen an Steuern aus, ohne auf die bekannte Wahrheit zu achten, dass nach sieben fetten Jahren die sieben mageren Jahre kommen, also die Entwicklung nicht absehbar ist.


Dass jetzt die Steuereinnahmen sinken, der Staatshaushalt durch eine sinkende Wirtschaftskraft mehr belastet wird (wobei ich an dieser Stelle nicht die Verschuldensfrage stelle), ist ersichtlich. Nun aber die Schwarze Null wieder zu eliminieren, entpuppt diese Politiker als Komödianten, denen es nie ernst war um die Schwarze Null: Sie wollten nur populistisch den Eindruck erwecken, sie würden sich auch um die nächsten Generationen kümmern. Anstatt Milliardenbeträge aus dem Fenster zu werfen in (gar zweifelhafte) Objekte und Aktionen, wäre es angebracht gewesen, Schulden tatsächlich zu tilgen, was nicht erfolgte. Auch jetzt wird kein Gedanke darauf verwendet, wo Gelder eingespart werden können, sondern intensiv weiter in umstrittene Aktionen in Milliardenhöhe gesteckt, der in den letzten Jahren zunehmend aufgeblähte Verwaltungs-Staatsapparat nicht auf ein ausreichendes Maß zurückgefahren.

Statt dessen Neuverschuldung, vorsätzlich und grundlos zu Lasten der nächsten Generationen.  Aber keinesfalls besteht die Einsicht, den eigenen Gürtel enger zu schnallen, die ohnehin unverantwortlich hohe, Diäten (neben den sonstigen Einkünfte dieser ehrenwerten Abgeordneten für Nebentätigkeiten, zu denen ihr wohldotiertes Abgeordnetenmandat mehr als genügend Zeit lässt) und Lobbyismus. - Die Deklaration der Schwarzen Null war Zynismus, ihre Abschaffung straft die Politiker wieder einmal der Lüge.

Wie lange müssen solche Politiker och geduldet werden, die zum Einen von Volks- (gar Betriebs-) Wirtschaft nichts verstehen, denen nur ideologische und einer selbst geschaffenen Mainstream geschuldeten populistische Maßnahmen (wahlkampfbezogen) einfallen ? Gerhard Schröder hatte hart in das Sozialsystem eingegriffen und dadurch erreicht, dass Deutschland de stabilste Nation in der EU wurde, wohlwissend, dass diese Maßnahmen unbeliebt sind und den Wahlsieg kosten würden - heute geht es aber nicht mehr um die (mit der Schwarzen Null doch so proklamierte) Zukunft, sondern nur um die eigene Tasche der Politiker, um ein denken nicht über den eigenen Tischrand hinaus und schon gar nicht um ein Denken in die Zukunft.

Dienstag, 6. August 2019

Feuerwerk und CO2 – der Widerspruch zwischen politischer Propaganda und Realität


Frankfurt, nach offizieller Lesart auch eine der Städte, die gebeutelt sind und dringend eine Klimaveränderung benötigen. Bitte nicht falsch verstehen: Ich meine hier nicht eine politische Klimaveränderung (aber wer weiß, vielleicht würde das ja schon reichen), ich meine die ökologische Veränderung. Und Frankfurt hat dies erkannt. So kann man auf einer Webseite des Energiereferats (was es so alles gibt) der Stadt Frankfurt am Main lesen:

„Frankfurt am Main ist Gründungsmitglied des "Klima-Bündnis europäischer Städte" und hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen alle 5 Jahre um 10% zu senken und bis zum Jahr 2030 zu halbieren.
Ergänzend hierzu erfolgte am 1. März 2012 der Beschluss der Stadtverordneten, Frankfurt am Main bis spätestens 2050 zu 100% aus Erneuerbaren Energien zu versorgen. Das war die Voraussetzung, um am Projekt Masterplan 100% Klimaschutz der Bundesregierung teilzunehmen.“ [1]

Und es gibt, so kann man dort weiter lesen, umfangreiche Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung seit dem Jahr 2006, die dann auch von dem „Energiereferat – die kommunale Klimaschutzagentur“ veröffentlicht werden [2].  Nun fragt sich der Bürger bereits: Wenn seit 2006 bereits Klimaschutz betrieben wird, weshalb steigen dann die CO2-Werte ? Wollen wir aber dieser Frage historisch nicht weiter nachgehen, da sie sich aktuell, wie dargelegt wird, ohnehin selbst beantwortet.

Die benannte veröffentlichte Auflistung benennt viele Beschlüsse, die letzten aus dem Jahr 2015. Ein Beschluss vom 02.02.2012 (kein Schreibfehler im Datum) lässt allerdings aufhorchen:

„Umweltfreundlich feiern in Frankfurt
Der Magistrat wird beauftragt, zu prüfen, welche Auflagen es hinsichtlich der Umweltfreundlichkeit bei sämtlichen Veranstaltungen in Frankfurt gibt und welche ökologischen Aspekte in Zukunft stärkere Beachtung finden könnten / angeregt wird, einen Ansprechpartner zu benennen, der Veranstalter hinsichtlich Umweltfragen berät, sowie eine Broschüre zu erstellen.“ [3]

Was wurde aus dieser Prüfung ? Dazu findet sich nicht auf der Seite vom „Energiereferat – die kommunale Klimaschutzagentur“. Aber es gibt ein „Energie- und Klimaschutzkonzept“ [4], erstellt vom ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH. Im Jahr 2008. Resultat: Ohne erkennbaren Erfolg.

Es handelt sich leider nicht nur um ein „Gerede“ von und um Klimaschutz. Sondern es werden Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung damit beschäftigt, und es werden Externe beauftragt. Alles zu Lasten des Steuerzahlers. Letztlich ohne jeden effektiven Nutzen. Damit wird eine Art Selbstbeschäftigung betrieben.

Und das Thema Veranstaltungen (Beschluss der Stadtverordneten vom 02.02.2012):  Zu Veranstaltungen gibt es (wohl) nichts. Aber die Stadt bemüht sich, CO2 zu erhöhen, wie ein 15-minütiges Spektakel um 22.00 Uhr am 05.08.2019 zeigte: ein Feuerwerk am Main. Dadurch werden Feinstaub und CO2 in nicht zu geringen Mengen in die Luft geblasen [5].

Resultat: Tatsächlich ist wohl jedem, der sich mit der Thematik ernsthaft beschäftigt, klar, dass ohnehin ein Klimawandel nicht künstlich durch den Menschen Einhalt geboten werden kann und die Klimaveränderung, die nicht erst in den letzten Jahrzehnten begann, auch durch Einschränkungen nicht erreicht werden kann. Dann aber sollte die Politik ehrlich sein, dies einräumen und ihre kostspieligen Aktionen und zudem die Bürger mit unnötigen Kosten belasten und mit Maßnahmen beschränken,  beenden. Oder: Man glaubt an eine Hoheit an einen nennenswerten Einfluss auf die Klimaveränderung: Dann sollte der Klimaschutz konsequent durchgeführt werden und müssten (ohnehin teure) Spektakel, wie z.B: Feuerwerke, gänzlich eingestellt werden.

Donnerstag, 27. Juni 2019

Der Rechtsstaat und sein Verhältnis zu Recht und Gerechtigkeit – eine tautologische Reflektion oder ein Versuch ?


Immer wieder entflammt eine Diskussion über die Frage, ob etwas „gerecht“ sei. Z.B. bei der Umsatzsteuer: Auf Hundefutter gilt der ermäßigte Satz von 7%, auf Windeln der allgemeine Satz von 19%. Oder: Die Wohnverteuerung durch Sanierungen, auch wenn diese in Ansehung von politisch gewünschten Maßnahmen (wie Wärmedämmungen pp.) erfolgen. Damit aber werden die Kernbegriffe Recht, Rechtstaat und Gerechtigkeit vermischt. Leben wir in einem von Recht geprägten (gar gerechten) Rechtsstaat ?

a) Unter „Recht“ wird das geschriebene Recht (in Form von Gesetzen oder darauf beruhenden Verordnungen) wie auch das von der Rechtsprechung geprägte Recht und das Gewohnheitsrecht verstanden.

Am einfachsten ist qua Definition das geschriebene Recht als Recht zu verstehen. Das, was in einem Gesetz zum Ausdruck gebracht wird, ist „Recht“. Es ist die Verhaltensregel, an die man sich – soweit es nicht vom Gesetzgeber zur Disposition gestellt wird - zu halten hat.

Allerdings ist es nicht einfach, dieses Recht anzuwenden. Dies wird deutlich, wenn man die umfassende Judikatur liest. Immer wieder sehen sich die Richter veranlasst, das Recht auszulegen, zu interpretieren, oder bestimmte Normen, die an sich einen anderen Sachverhalt regeln, entsprechend auf einen zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden. Die Rechtsanwendung ist also nicht die simple Übertragung des Wortlautes, zumal dieser häufig auch nur Generalformeln enthält, wie z.B. in § 242 BGB die „Treu- und-Glauben“-Regelung. Und dabei ist diese Rechtsprechung nicht einheitlich. Unabhängig davon, dass verschiedene Gerichte bestimmte gesetzliche Regelungen anders interpretieren, kommt es auch immer wieder vor, dass selbst der BGH seine Auslegungen ändert (was meist mit dem Hinweis auf eine nun geänderte Rechtsprechung erfolgt).

Wenn schon die Anwendung des geschriebenen Rechts auf entsprechende Schwierigkeiten stößt, wird deutlich, dass dies bei der Anwendung von Gewohnheitsrecht (zu dem z.B. auch kaufmännisches Geschäftsverhalten gehört) erst recht zu Schwierigkeiten führt: Handelt es sich um ein Gewohnheitsrecht oder gehen anderweitige (gesetzlich, also schriftlich geragelte) Normen vor ? Dabei sei beispielhaft auf die ehedem offene Frage verwiesen, ob es selbstverständlich sei, dass ein umsatzsteuerpflichtiger Kaufmann dem vorsteuerabzugsberechtigten Kunden nur Nettopreise mitteilt und selbstverständlich die Umsatzsteuer aufschlagen kann; die Rechtsprechung hat klar entschieden, dass bei fehlenden Hinweis auf die zusätzliche Umsatzsteuer der mitgeteilte Nettobetrag als Bruttobetrag gilt.

b) Der Begriff des Rechtsstaates wird häufig verwandt. Insbesondere dann, wenn die Ansicht vertreten wird, eine bestimmte Maßnahme oder Entscheidung sei nicht mehr mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar.

Auf Wikipedia wird der Begriff wie folgt definiert: Ein Rechtsstaat ist ein Staat, der einerseits verbindliches Recht schafft und andererseits seine eigenen Organe zur Ausübung der staatlichen Gewalt an das Recht bindet [1].

Dies besagt nichts anderes, als dass der Staat (durch die Volksvertretungen, also den Land- oder Bundestag, evtl. Bundesrat, aber ebenso die Kommunen durch ihre Satzungsgewalt) verbindlich schriftliche Normen schafft, die von den staatlichen Organen zu beachten sind (wobei das höherrangige Recht dem niederen Recht vorgeht, also eine Satzung einer Kommune bei Verstoß gegen Landes- oder Bundesrecht unwirksam ist; sogen. Kollisionsregel).

c) Der Begriff der „Gerechtigkeit“ hat weder etwas mit „Recht“ noch mit „Rechtsstaat“ zu tun, auch wenn sie im englischen und französischen mit justice und im lateinischen mit iustitia bezeichnet werden. Es ist ein philosophisch geprägter Begriff, über den schon die antiken Griechen wie Sokrates und Platon sich ausgelassen haben. Gleiches sollte gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden, wobei allerdings dann due Frage zu lösen war, was Gleich und was Ungleich ist. Im Mittelalter, unter kirchlicher Dominanz, setzte sich die Auffassung durch, dass es Gerechtigkeit nicht auf Erden sondern nur im Himmel geben könne, da Gerechtigkeit eine göttliche, keine menschliche Größe sei. Dies änderte sich in der Zeit der Aufklärung, in der Kant die Vernunftethik formulierte. Er verwandte dafür den kategorischen Imperativ: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde [2].

Moral und Ethik werden in der weiteren philosophischen Diskussion in den Vordergrund gehoben (bzw. verworfen). Hegel z.B. wirft Kant vor, der kategorische Imperativ erzeuge nur Tautologien, die jede materiale Norm zu rechtfertigen erlaube. Marx wandelt den kategorischen Imperativ zu einem revolutionären Prinzip gegen Knechtschaft und Erniedrigung um und Schopenhauer wirft Kant einen theologischen Ansatz („du sollst“) vor. Habermas spricht von einer „kooperativen Wahrheitssuche“ unter „freien und gleichen Teilnehmern“.

Deutlich wird, dass mit Gerechtigkeit kein absoluter Begriff geprägt ist, sondern eine Etikette, unter der sich alles sammeln lässt, was als „gerecht“ vom jeweiligen Betrachter aus angesehen werden kann. Letztlich ist Hegel, auch wenn er sich bei auf Kant bezog, grundsätzlich zuzustimmen, dass Gerechtigkeit nicht im Sinne einer Allgemeingültigkeit verstanden werden kann, sondern jedenfalls tautologische Züge hat: Eine Aussage, die immer wahr ist, unabhängig vom Wahrheitsgehalt der einzelnen, ihr zugrunde liegenden Bestandteile.

d) Wenn der Begriff der Gerechtigkeit schwimmend ist, können weder Gesetzgebung noch Gerichte Gerechtigkeit herstellen.

Gerichte können ohnehin keine Gerechtigkeit herstellen, insbesondere bei streitigen Sachverhalten. Der Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde zu legen ist, ist vom Gericht festzustellen. Ist er streitig, kommt es häufig auf das Ergebnis einer Beweisaufnahme an. Her ist der Richter an bestimmte Vorgaben (§§ 286, 287 ZPO) gebunden. Er entscheidet letztlich nicht darüber, ob etwas tatsächlich wahr ist oder nicht, er entscheidet nach dem Beweismaß. Somit ist der Spruch „Recht bekommen und Recht haben sind zwei Paar Schuhe“ sicherlich richtig, und auch die weitere Floskel „Vor Gericht ist es wie auf hoher See: Man ist mit sich und Gott alleine“ hat sicherlich einen Wahrheitskern.

Problematischer wird es aber, wenn Gerichte das Recht als solches anwenden und den Rechtssatz (das Gesetz) deuten. Rechtshistorisches ist der Müller-Fall: Friedrich II (der Große) setzte sich für einen Müller ein, erlaubte diesem eine Schadensersatzklage gegen den Landrat von Gersdorff, der durch die Anlage eines Karpfenteiches oberhalb der Mühle dieser das notwendige Wasser zum Betrieb der Mühle nahm. Die Klage wurde abgewiesen. Letztlich verurteilte Friedrich die Richter zu Haftstrafen und gab selbst der Klage des Müllers statt. In der Folge ließ er das Allgemeine Preußische Landrecht (ALR) verfassen, mit dem er sicherstellen wollte, dass Richter sich an den Buchstaben des Gesetzes ohne eigene Auslegung halten.

Diese Ansätze wurden im BGB nicht stringent übernommen und finden sich auch nicht mehr in den neueren Gesetzen. Die Auslegung, auch mittels der Gesetzesmaterialien (so insbesondere Gesetzesbegründungen) sind Hilfsmittel. Danach mag im Grundsatz Verständnis dafür bestehen, dass es bei verschiedenen Gerichten zu unterschiedlichen Auslegungen (wie auch in der juristischen Literatur) kommt. Beurteilen zwei gleichrangige Gerichte eine Rechtsfrage unterschiedlich, ist zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung die Revision zum BGH zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. ZPO). Wenn sich dann der BGH zu einer bestimmten Rechtsauffassung durchringt, ist es natürlich für den Rechtssuchenden unverständlich, wenn (manchmal bereits kurze Zeit später) der gleiche Senat des BGH diese Rechtsprechung ändert.

Recht, welches der judikativen Auslegung zugänglich ist, mag zwar ein geschriebenes Gesetz sein, bietet aber nicht die vom Bürger erhoffte Verlässlichkeit, wenn selbst vom höchsten deutschen Gericht Änderungen vorgenommen werden. Aber auch ein Richter erlaubt sich, um mit Adenauer zu sprechen, klüger zu werden. Dass allerdings diese Art der Rechtsfortbildung bei den davon negativ Betroffenen auf Unverständnis stößt, liegt auf der Hand.

Das aber ist keine Frage der Gerechtigkeit, deren philosophischer Ansatz natürlich auch hier die Rechtsprechungsänderung begründen kann, sondern eine Frage des Rechtsstaates. Lässt es sich mit dem Rechtsstaatsprinzip noch vertreten, wenn – ohne dass eine Änderung in der rechtlichen Grundlage eingetreten ist – die Rechtsprechung geändert wird und damit der Bürger, der auf den Bestand einer Rechtsansicht vertraute, letztlich einen Prozess verliert (und dafür auch die Kosten zu zahlen hat) ? Für den Juristen mag dies ein täglicher Kampfsport sein, für den Mandanten hängt aber häufig viel davon ab.

Handelt es sich also um einen Rechtsstaat, wenn Recht durch unterschiedliche Auslegung (und Änderung der Rechtsprechung) letztlich zu einem Richterrecht wird ? Wenn man den Begriff Rechtsstaat als wörtliches Element als Staat, in dem Recht herrscht, nimmt, und nicht wie Gerechtigkeit nur als philosophische Betrachtungsweise, wird man die Art der geübten Anwendung von Recht nicht dem Rechtsstaatsbegriff zuordnen können, da keine Rechtssicherheit besteht.



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsstaat
[2] Immanuel Kant, Gesammelte Schriften. Hrsg.: Bd. 1-22 Preussische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1900ff


Samstag, 25. Mai 2019

Undemokratisches Verhalten – ein politisches oder auch gesellschaftliches Phänomen


Selbstbewusst ist derjenige, der anderen das zum Vorwurf macht, was er selbst tut. Und damit ist OB Feldmann (Frankfurt, SPD) sicherlich selbstbewusst. Nachdem die Stadt eine Podiumsveranstaltung zur Europawahl  veranstalten wollte, zu der die AfD bewusst nicht eingeladen wurde (nach Feldmann sei dies im Magistrat besprochen worden), und nun drohte, dass sich die AfD erfolgreich reinklagen könnte, wurde die Veranstaltung kurzerhand abgesagt und nunmehr von den Helfern „Jorunal“ und Europa-Union ausgerichtet (natürlich ohne AfD). Nun störte sich Feldmann daran, dass es vom AfD-Stadtverordneten Reschke bei seiner Begrüßungsrede Zwischenrufe gab.

Das Demokratieverständnis bei gewissen Personen scheint eine doppelte Persönlichkeit (Psyche) zu haben, ähnlich wie bei Dr. Jeckyll und Mr. Hyde (Novelle des schottischen Schriftstellers Robert Louis Stevenson). Werden eigene Rechte in irgendeiner Art tangiert, ist dies natürlich undemokratisch. Das aber dem ein mehr als undemokratisches Verhalten voranging, nämlich die bewusst gegen das Gleichheitsgebot gerichtete Nichteinladung der AfD zur Podiumsveranstaltung, wird verdrängt.

Es ist längst mehr als augenfällig, dass die AfD von den etablierten Parteien diskreditiert wird. Man wird wohl sogar sagen können, dass Mob betrieben wird. Werden Fahrzeuge von AfD-Mitgliedern angezündet oder diese körperlich behelligt, rührt sich bei diesen etablierten, sich als Demokraten bezeichnenden Parteien und Politikern nichts, ebenso bei der Mehrzahl der größeren Medien. Anders aber, wenn gleiches die eigenen Parteimitglieder trifft.


Demokratie, das scheint wohl in Vergessenheit geraten zu sein, ist die Herrschaft des Volkes, nicht einzelner Politiker oder Parteien. Die Parteien bzw. ihre Politiker sind nur systembedingt die Vertreter in den Parlamenten. Grundlage der Demokratie ist nach der Verfassung das Recht zur freien Meinungsäußerung. Die Demokratie lebt nicht von der einseitigen Meinung einiger weniger, sondern von der Vielzahl der Meinungen und des Diskurses. Wer das – wie auch immer – verhindert oder versucht zu verhindern, kennt entweder die Grundwerte der Demokratie nicht oder will sie nicht berücksichtigen. Er ist mithin auch nicht Demokrat, da er ein System der Anpassung verfolgt, welches real in einer Diktatur ist. Wenn dann diese Personen auf einen Unrechtsstaat unter des Nazis verweisen (letztlich bitte auch ein Unrechtsstaat unter der SED, dem Zusammenschluss der Kommunisten mit der SPD in der späteren DDR), ist dies blanker Hohn. Denn durch die Unterdrückung von anderen Meinungen und die Diffamierung derselben, entsteht gerade dieser Unrechtsstaat.

Es kommt nicht darauf an, ob man mit den Ideen der AfD ganz oder teilweise konform geht. Ebenso wenig wie es darauf ankommt, ob man mit den Ideen der anderen Parteien konform geht. Entscheidend ist, dass dies als Meinung zunächst zu akzpetieren ist. Mit Argumenten läßt sich eine andere Auffassung auch legal bekämpfen. Der Versuch, diese andere Meinung schlicht mundtot zu machen, lässt doch nur den Schluss zu, dass einem keine Argumente einfallen, um ihr entgegenzutreten.

Feldmann hat sich hier als Antidemokrat bewiesen. Niht nur der Versuch, die AfD von einer von der Stadt vorgesehenen Podiumsdiskussion fernzuhalten, sondern dann auch der Umweg der Durchführung über (willfähige ?) Dritte, bei denen der Stadt kein Vorwurf der Ungleichbehandlung gemacht werden kann. Es ist nur ein Beispiel einer zunehmenden Intoleranz in der Politik und, da sich die Medien gerne daran beteiligen, letztlich der Gesellschaft allgemein. Sind wir also wirklich wiedre so weit, dass die freie Meinung nur noch im vertrauten Zirkel geäußert werden kann, ohne dass einem Nachteile erwachsen ?

(siehe auch: Frankfurter Rundschau)